
Parklandschaft auf Schotterebene | Architektur kann vieles sein: spektakulär, großzügig, langweilig, einfach, funktional, abweisend. Die Reihe lässt sich fast unendlich erweitern. Sie ist abhängig von der aktuellen Mode. Noch viel mehr aber vom Auge des Betrachters. Münchner etwa scheinen in die historischen Gebäude der Stadt verliebt. Und natürlich in die zahlreichen, gut gepflegten öffentlichen Grünanlagen und Parks. Moderne Gebäude sind eher Randerscheinungen, dezent in das Stadtbild eingefügt oder eben tatsächlich am Rande.

So etwa in der Dingolfinger Straße. Hier steht der Bürokomplex, den die Telekom Ende des letzten Jahrhunderts erbauen ließ. Die fünf markanten Türme mit ihren kühnen Verbindungsstegen in luftiger Höhe fallen besonders von der Bahnstrecke aus auf. Wer im Münchner Osten arbeitet oder über Rosenheim in die Berge fährt und dabei S-Bahn oder Bahn benutzt, kommt hier vorbei. Die fünfzehngeschossigen Bürohochhäuser wirken mit ihren Glasfassaden wie ein letzter Gruß der modernen Stadt – oder bei der Heimfahrt wie eine Begrüßung. Sie stehen für ein Versprechen an einen aussichtsreichen Arbeitsplatz, großstädtisch. Der Entwurf der einzelnen Türme ist nach Aussage des Architektenteams dem ersten Hochhaus Münchens nachempfunden, dem 1929 von Hermann Leitenstorfer errichteten Technischen Rathaus in der Blumenstraße. In der Dingolfinger Straße sind quasi fünf dieser Häuser hintereinander aufgereiht. Eine komplexe Bürostadt mit zahlreichen ober- und unterirdischen Verbindungswegen. Ein Gebäude das aus der Ferne wirkt.


Wer sich vom Glanz der Fassade blenden lässt, nicht bis zum Fuß des Komplexes vordringt, verpasst ein wahres Kleinod der Gartenkunst. Ein unentdecktes Fleckchen, das sich durch Menschenleere und ursprünglichen Bewuchs auszeichnet. Überraschend, weil es mitten im Zentrum des Geschäftslebens liegt. Dort, wo täglich Tausende von Menschen zur Arbeit hinströmen. Am Fuße der fünf Türme erstreckt sich auf privatem Grund ein öffentlich zugänglicher Park. Wie ein Mikadospiel liegen die Wege vor dem Fußgänger, führen ihn über das weitläufige Gelände zwischen den Türmen hindurch.

Wo das Gelände an die Bahnlinien stößt, finden sich Magerrasen, Kies- und Schotterflächen. Sie sind die typische Vegetation der Münchner Schotterebene. Auf den von der Sonne ausgetrockneten Wiesen findet der Besucher heimische Wildkräuter wie der blaue Wiesensalbei, das dem Holunder ähnliche Mädesüß oder das unscheinbare Labkraut. Hier bleibt die Natur weitgehend sich überlassen, aber immer unter dem Schutz und der Pflege des Menschen.


Eine Böschung, die mit Öl- und Lavendelweiden bepflanzt ist, führt über eine hügelige Rasenlandschaft hinunter zum Glasdach des Betriebsrestaurants und einem kleinen Innenhof. Es scheint als spielten die Architekten von Kiessler + Partner und die Landschaftsarchitekten von —> Valentien + Valentien mit dem Voyeurismus, der Neugierde der Spaziergänger. Diese wird durchaus nicht nur durch freizügige Sichtachsen befriedigt.
Garten-Besucher sind jederzeit willkommen
Gelegentlich öffnet sich die Kantine auch für Besucher im Rahmen von Konzerten und Tagungen. Durchlässige Gebäude, nicht nur für die Öffentlichkeit. Auch die Natur reicht bis ins Innerste hinein. So sorgen im Innenhof eines Rundbaus, der den fünf Türmen zur Seite steht, Bambus und wasserumspülte Basaltblöcke für ein angenehmes Raumklima. Durch ein intelligentes Fassadensystem sind alle Arbeitsplätze natürlich beleuchtet und belüftet. So kommen die Gebäude ohne Klimaanlagen aus.

Stahl, Glas und Betonkonstruktion kontrastieren mit karger Natur. Ein wenig wandelt sich dieses Bild auf der Vorderseite. Den Haupteingang und die Auffahrten beschatten zahlreiche Bäume, unter ihnen viele Eichen. Idyllisch sind Bänke in die welligen Blumenwiesen mit Vogelwicken und Heidenelken eingebettet. Sie laden unter einem schützenden Blätterdach selbst in der größten Hitze zum Verweilen ein. Der Blick schweift unwillkürlich nach oben, die himmelragenden Gebäude entlang, mit ihren faszinierenden Ausblicken über die Stadt und die Alpen. Im vierzehnten Stock befindet sich in einem Verbindungssteg die Skylounge, die für öffentliche Veranstaltungen zur Verfügung steht. Aussicht auf die Lichter der Großstadt inklusive.




Ob im vorderen Bereich der Gartenanlage oder auf den leuchtenden Kieswegen, immer zieht der Bürokomplex die Blicke auf sich. Das verleitet dazu, über die Zukunft des Gebäudes nachzusinnen. Was heute aufgelassene Fabrikhallen oder Wassertürme sind, könnte für Künstler in hundert Jahren das Münchner Telekomgebäude sein. Lichtdurchflutete Atelierräume mit weitem Blick. Und als Bonus direkt vor der Tür ein landschaftsnaher Garten, in dem vielleicht sogar Kräuter für das Abendessen gedeihen.
Text | Eva Bodenmüller,
Fotos | ©Susanne Perk-Kuhlmann
089Tipp! Wer das Thema vertiefen und mehr Einblick in die architektonischen Anforderungen gewinnen möchte schaut —> hier in die Projektbeschreibung der Architekten.